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Auf dem Bild von links

Dr. Andreas Bukowski, Bürgermeister Gemeinde Haar
Josef Mederer, Bezirkstagspräsident Oberbayern
Stephan Schmidt, Sohn von Prof. Dr. Gerhard Schmidt
Prof. Dr. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor

kbo-Klinikum benennt zentralen Platz nach Prof. Gerhard Schmidt

„Ende Mai erhielt ich einen Anruf vom Klinikum, dass dieser Platz, auf dem wir jetzt versammelt sind, nach meinem Vater Gerhard Schmidt benannt werden wird. Was war das für eine Überraschung! Was für eine tolle Nachricht! Mein erster Gedanke war: Endlich erfährt er Gerechtigkeit.“ Stephan Schmidt, Sohn des früheren Ärztlichen Direktors Gerhard Schmidt, zeigte sich erleichtert und zufrieden zugleich. Sein Vater Gerhard Schmidt wurde nach dem II. Weltkrieg zum Direktor der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ernannt. Sofort begann Schmidt, die furchtbaren „Euthanasie“-Verbrechen in der Anstalt zu dokumentieren. In der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar waren während der NS-Diktatur etwa 4000 Menschen in Tötungsanstalten deportiert und ermordet worden, systematisch in sogenannten „Hungerhäusern“ zur Tode gehungert oder mit Medikamenten getötet worden, darunter auch 332 Kinder in der sogenannten „Kinderfachabteilung“. „Die damalige Anstalt war ein zentraler Ort der „Euthanasie“-Verbrechen, der damalige Direktor Pfannmüller einer der wichtigsten Organisatoren der systematischen Morde. Aus Haar wurden die ersten psychiatrischen Patienten überhaupt aus einer Anstalt in eine Tötungsanstalt deportiert, am 18.1.1940 wurden die ersten Männer von Haar in die Tötungsanstalt Grafeneck deportiert und noch am selben Tag ermordet“ erläuterte Bezirkstagspräsident Josef Mederer das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Anstalt.

Es gab nur wenige Menschen, die direkt nach dem II. Weltkrieg den Mut fanden, die Verbrechen aufzuklären und vor allem auch die Öffentlichkeit informieren wollten. Prof. Gerhard Schmidt war einer dieser besonderen und mutigen Menschen. Direkt nach seinem Amtsantritt klärte er auf, er versuchte die Bevölkerung durch ein Interview mit dem Bayerischen Rundfunk aufzurütteln. Er ließ die Verbrechen dokumentieren, er ließ die Schicksale der Menschen in den Hungerhäusern dokumentieren und niederschreiben. „Es gelang ihm sogar, gegen großen und nachhaltigen Widerstand, die schlimmsten Verbrecher aus dem Klinikum entfernen zulassen. Hier ging er konsequent vor, weil er wusste, was in dieser Anstalt passiert war“ erläuterte Prof. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des Klinikums.

Aber, und dies ist bis heute beschämend und belastend, wurde er durch Intrigen innerhalb des Klinikums und mit Unterstützung des damaligen Politik nach nur einem Jahr entlassen. Er wurde nicht nur entlassen, sondern mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.

 

Prof. Schmidt fasste die Verbrechen in dem Buch „Selektion in der Heilanstalt“ zusammen, auch heute ist dieses Buch ein Standardwerk zur Aufarbeitung der „Euthanasie“-Verbrechen. Wahr ist aber auch, dass es fast 20 Jahre dauerte, bis dieses Buch überhaupt veröffentlicht wurde. „Zahlreiche Verlage weigerten sich, das Buch zu verlegen, sie unterstellten Schmidt, er wäre ein Lügner und Nestbeschmutzer. Auch der Widerstand innerhalb der Ärzteschaft war groß, sie warnten ihn ausdrücklich vor der Veröffentlichung. Erst 1965 wurde es veröffentlicht und ist seitdem unverzichtbar“ berichtete Brieger.

Prof. Schmidt und seine Aufklärungsleistung wurde lange Zeit im heutigen Klinikum verdrängt und verschwiegen. Es schien, als würde selbst das Klinikum versuchen, die Aufklärungsarbeit zu ignorieren. Seit mehreren Jahren arbeitet das Klinikum die Verbrechen konsequent auf und findet nun den Raum, Prof. Gerhard Schmidt gebührend zu würdigen. „Es ist aus meiner Sicht auch der richtige Platz, direkt im Zentrum des Klinikums und vor der zentralen Aufnahme. Hier suchen Menschen in seelischen Krisen Hilfe und bekommen sie professionell“, so Mederer.

Prof. Schmidt weigerte sich nach seiner Demission konsequent, das Gelände des Klinikums noch einmal zu betreten. Die wenigen, auch halbherzigen Einladungen des Klinikums schlug er verständlicherweise aus. Zu tief waren die persönlichen Verletzungen und Verleumdungen. „Wir bedauern dies, aber seine Entscheidung war und ist auch heute noch nachvollziehbar. Um so mehr freut es mich, dass heute die Nachfahren von Herrn Schmidt anwesend sind. Ihr Vater und Großvater hat Bedeutendes geleistet, er war Aufklärer und Mahner zugleich. Ohne sein Drängen und Wirken wäre die Aufarbeitung unvollständig. Die Benennung des Platzes nach Prof. Schmidt ist beides: Anerkennung für sein Wirken und die Mahnung an uns, dass die Würde des Menschen unantastbar ist“, so Brieger.